Professionelle Lerngemeinschaften
Professionelle Lerngemeinschaften (PLG) sind neuere Formen der Lehrer/innenkooperation und der schulinternen Professionalisierung, die auf der Idee kollaborativen Arbeitens und Lernens von Lehrpersonen als zentralem Motor für Schulentwicklung im Allgemeinen und Unterrichtsentwicklung im Speziellen begründet wird.
Insbesondere im Kontext einer inklusiv gedachten Bildung und einer systematischen Entdeckung und Förderung der Potenziale von Schülerinnen und Schülern rückt die Zusammenarbeit von Lehrpersonen zunehmend in den Vordergrund. Grundidee ist, wie auch bei der Lesson-Study-Methode, ein kollaboratives Arbeiten und Lernen von Lehrpersonen zum Wohle der Schülerinnen und Schüler. Wenngleich eine einheitliche Definition von PLGs bislang nicht vorliegt, stellen die folgenden Merkmale einen prominenten Zugang dar:
- Reflektierender Dialog
- De-Privatisierung der Unterrichtspraxis
- Fokus auf Lernen statt auf Lehren
- Zusammenarbeit
- Gemeinsame handlungsleitende Ziele
PLGs sind auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt und umfassen je nach Schwerpunkt der Unterrichts- und Schulentwicklung Arbeits- und Fachgruppen, Jahrgangskonferenzen, ganze Kollegien oder schulübergreifende Teams und Netzwerke. Eine so verstandene Kooperation geht deutlich über den Austausch oder die koordinierte Entwicklung von Unterrichtsmaterialien hinaus. Verbindend ist der Grundgedanke, dass Lehrpersonen in PLGs selbst zu Lernenden werden. Im Mittelpunkt stehen die gemeinsame Reflexion und Weiterentwicklung des eigenen unterrichtlichen/beruflichen Handelns, die Entwicklung einer kooperativen Schulkultur und die Fokussierung auf die Lernenden. Lehrpersonen können durch die Zusammenarbeit ihr fachliches und fachdidaktisches bzw. erziehungswissenschaftliches Wissen erweitern und neue Kompetenzen erwerben. Eng damit verknüpft ist eine Änderung von Haltungen und Einstellungen in Bezug auf die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler und auf die Bedeutung von Kooperation zwischen Lehrpersonen. Die Zusammenarbeit fokussiert eine koordinierte und adaptive Implementierung neuer Konzepte, Verfahren und Methoden sowie die gemeinsame Weiterentwicklung von Schule und Unterricht. Langfristig soll sich dadurch unterrichtliches Handeln ebenso verändern wie die schulischen Lernprozesse, was nicht zuletzt eine fortlaufende Arbeit an pädagogischen Leitideen und schulischen Curricula impliziert.
In ihrem Ablauf und ihrer spezifischen Ausgestaltung sind PLGs vielfältig: Sitzungen können mehr oder weniger stark strukturiert sein, in manchen Fällen beschränken sich die PLGs auf einen mündlichen Austausch, für andere Gruppen sind gegenseitige Hospitationen ausdrücklicher Bestandteil. Manche PLGs können als eine Form von Peer-Coaching beschrieben werden, andere entwickeln – ähnlich wie in Lesson Study Teams – gemeinsam Unterricht und evaluieren diesen zwecks weiterer Anpassungen. Aber auch die Erhebung und Interpretation von Daten, wie z.B. Unterrichtsmitschnitte oder Feedback von Schülerinnen und Schülern, können Gegenstand von PLGs sein. Auch variieren PLGs in Dauer und Rhythmus. Empfehlenswert sind jedoch regelmäßige (alle zwei bis vier Wochen) Treffen von mindestens 90-120 min. Dauer, um eine intensive und fortwährende Arbeit an den jeweiligen beruflichen Herausforderungen zu ermöglichen.
Weiterführende Literatur:
Bonsen, M., Rolff, H.-G. (2006). Professionelle Lerngemeinschaften von Lehrerinnen und Lehrern. Zeitschrift für Pädagogik 52, 2, 167-184.
Kansteiner, K., Stamann, C., Rist, M. (2020). Merkmale Professioneller Lerngemeinschaften – Analyse ihrer konzeptuellen Herkunft und Möglichkeiten ihrer Systematisierung. In K. Kansteiner, C. Stamann, C. G. Buhren & P. Theurl (Hrsg.), Professionelle Lerngemeinschaften als Entwicklungsinstrument im Bildungswesen ( S. 16-36). Weinheim, Basel: Beltz Juventa,
Komoss, R., Sørensen, N. (2019). Wandel durch Lehrerkooperation? – Welchen Beitrag leisten Lehrerkooperationen für die Schul- und Unterrichtsentwicklung? In A. Bikner-Ahsbahs & M. Peters (Hrsg.), Unterrichtsentwicklung macht Schule. Forschung und Innovation im Fachunterricht (S. 45-63). Wiesbaden: Springer VS.
Stamann, C., Theurl, P., Kansteiner, K., Louca, L. & Landstrom, P. (2019). Professionelle Lerngemeinschaften als Instrument der Schul- und Führungskräfteentwicklung – Voraussetzungen, Chancen und Grenzen. In S. G. Huber (Hrsg.), Jahrbuch Schulleitung (S. 141-157). Kronach/Köln: Carl Link Verlag.