Personorientierung

Personorientierung bietet eine anthropologische Grundlage für eine pädagogische Theorie und Praxis der Begabungs- und Begabtenförderung ebenso wie der Schulentwicklung und der Entwicklung pädagogischer Institutionen überhaupt. Sie stellt die Person des Kindes und Jugendlichen wie eines jeden Menschen in den Mittelpunkt von Lern-, Bildungs- und Begabungsprozessen – letztlich über die Lebenszeit hinweg. Jede Schülerin und jeder Schüler, aber auch die Lehrpersonen und alle anderen Akteure als Personen wahrzunehmen und zu respektieren, ist demnach Maßstab für pädagogisches Handeln und für die Gestaltung von Unterricht und Schulen. 
Der Begriff der Person leitet sich aus einem anthropologisch-philosophisch-ethischen Denken her, das durch zentrale Werte gekennzeichnet ist und grundlegende pädagogische Ziele beinhaltet. Dazu gehören: die Anerkennung des Anderen und seiner Würde (wie sie auch in den Menschenrechten oder auch im Grundgesetz der Bundesrepublik, Art. 1, verankert ist), die Realisierung von Autonomie und Mündigkeit, von Selbstbestimmung und Verantwortung sowie die Autorschaft des eigenen Lebens in sozialen Kontexten.

Die nachfolgenden drei, eng aufeinander bezogenen Dimensionen PrinzipProzess und Relationalität verorten den Menschen als Person in Zeit und (sozialem) Raum und sie verleihen diesem abstrakten und komplexen Begriff eine pädagogische Sinnschärfe:

Jeder Mensch ist eine einmalige Person (Prinzip) und gleichzeitig wird er dies auch, und zwar nicht nur in Kindheit und Jugend, sondern im Laufe des Lebens (Prozess). Während das Personsein allen Menschen gemeinsam ist, so stellt das Werden, die Gestaltung der eigenen Person einen fortwährenden Prozess der (je einmaligen) Persönlichkeitsbildung dar, der sich von der frühen Kindheit über die Lebenszeit erstreckt. Die Relationalität der Person umfasst sowohl die Selbstbe­züglichkeit (Reflexivität) als auch die mitmenschlich-soziale und die fachlich-sachliche Dimension.

Bezogen auf die Begabungs- und Begabtenförderung bedeutet Personorientierung, die Potenziale aller Kinder und Jugendlichen in ihrer Diversität zu erkennen und anzuerkennen, bestmögliche Förderbedingungen bereitzustellen und jedes Kind und jede/n Jugendliche/n in der Entfaltung ihrer Begabungen und ihrer je einmaligen Persönlichkeitsbildung zu unterstützen. Die Orientierung an der Person kann handlungsleitend sein für alle pädagogischen Entscheidungen und Prozesse, für den Unterricht und die Gestaltung der schulischen Praxis ebenso wie für die (Weiter-)Entwicklung von Bildungsinstitutionen und die Netzwerkbildung.
 
Weiterführende Literatur:
Seichter, Sabine (2012): „Person” als Grundbegriff der Erziehungswissenschaft. Zwischen Boethius und Luhmann. Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik, 88/2, 309-318.

Weigand, G./Hackl, A./Müller-Oppliger, V./Schmid, G. (Hrsg.) (2014). Personorientierte Begabungsförderung. Eine Einführung in Theorie und Praxis. Weinheim/Basel: Beltz.

Weigand, G. (2011): Person und Begabung. Karg-Heft 3. Beiträge zur Begabtenförderung und Begabungsforschung, 32-38. https://www.karg-stiftung.de/common/kfp/pdf/projekte/Karg-Heft3_web.pdf